Osaka Love. Morden auf Japanisch
Aus Kapitel 10:
Nachdem Karen in ihr Appartement zurückgekehrt war und sich ein Glas Saft eingeschenkt hatte, klingelte es an der Tür.
Anna.
Wenigstens ein bisschen angenehme Abwechslung, dachte sie und öffnete.
Anna förderte zwei Päckchen Matcha-Eis zutage – das Eis mit dem unvergleichlichen Teegeschmack – und reichte Karen eins davon.
„Dieses grüne Zeug ist zu lecker! Her damit!“
„Hör mal“, begann Anna, während sie sich auf einem Küchenstuhl niederließ. „Ich muss dir noch etwas zeigen.“
Sie nahm die Samstagsausgabe einer japanischen Tageszeitung aus der Tasche und breitete sie auf dem Tisch aus.
„Schon wieder ein Mord.“
Sie wies auf die Schlagzeile.
Auf Karens Gesicht machte sich Entsetzen breit. Sie ließ sich neben Anna auf einem Stuhl nieder.
„Was steht da?“, fragte sie aufgeregt.
„Ausländischer Pianist ermordet!“
Karen sah sich das Foto neben dem Artikel genauer an.
„Das, das ist doch – Laras Freund!“
„Laras Freund? Dass er Musiker ist, sagtest du schon. Jetzt haben sie ihn auch umgebracht!“
„Und ich Idiot glaubte, wir Hostessen seien gefährdet. Da muss es einen völlig anderen Zusammenhang geben.“
Karen fuhr sich ratlos mit der Hand durchs Haar.
„Was steht da noch?“
„Nicht viel. Nur, dass er von einer Künstleragentur vermittelt wurde und in Hotels und auf Hochzeiten spielte. In der Nähe seiner Wohnung, in einer dunklen Ecke brachen sie ihm zwei Finger, bevor sie ihn töteten. Ich frage dich: Wer tut denn so was?!“
„Yakuza? Hast du nicht schon einen von ihnen gedatet? Wie viele Finger hatte er noch?“
„Aber Karen! Zwischen Fingerkuppe abhacken und Finger brechen liegen doch Welten! Das ist keine Yakuza-Praktik!“
Karen stocherte in ihrem Eis. Ihr war der Appetit vergangen.
„Du hast recht. Oh Mann, was passiert da draußen bloß? Wer ist das nächste Opfer?“
„Ich gehe jedenfalls nicht mehr alleine aus. Viel zu gefährlich“, sagte Anna.
„Nimmst du dir Begleitschutz mit für dein nächstes Date?“
„Spar dir deine Witze“, brummte Anna. „Ach, übrigens: Richard würde dich zu gern einmal kennenlernen. Ich habe ihm schon so viel von dir erzählt.“
„Wer ist Richard?“
„Ein Freund von mir. Er arbeitet im Hotel. In Umeda.“
Anna schob sich einen Löffel Eis in den Mund.
„Umeda? Alle machen ihre Geschäfte in Umeda, was?“
„Er hat wohl eine ganz entzückende Wohnung in Ashiya am Berghang. Bin noch nicht dort gewesen, aber die Aussicht muss atemberaubend sein“, schwärmte Anna.
„Ashiya?“, fragte Karen.
Plötzlich begriff sie und schwieg.
„Hast du noch nichts von Ashiya gehört? Soll eine noble Wohngegend sein. Das wäre et-was für dich.“
Anna lachte.
„Da würdest du gar nicht auffallen mit Vuitton-Täschchen und Gucci-Schuhen!“
„Ach“, winkte Karen ab, „das ist doch bloß Berufskleidung.“
Sie lutschte nachdenklich an ihrem Löffel.
„Richard managt ein Hotel in Umeda“, fuhr Anna fort. „Kürzlich hat er ein neues Gebäude anbauen lassen. Ein Konferenzzentrum und neue Geschäftsräume im Untergeschoss. Es wird auch einen Massagesalon geben – Shiatsu und so. Richard kennt den Chef einer Salonkette und ist im Gespräch mit ihm. Toll, wenn man viele Leute kennt, nicht wahr? Da kann man immer auf die Richtigen zurückgreifen.“
Sie strahlte.
Karen legte den Kopf schief. Schlagartig wurden ihr gewisse Zusammenhänge bewusst.
„Sag mal, hast du nächsten Sonntag Zeit?“, fragte Anna.
Ihr fiel Karens abruptes Schweigen nicht auf.
„Richard und ich wollen uns eventuell zum Frühstücken treffen. Komm doch mit! Ich könnte ihn dir vorstellen.“
Um ihrem Vorschlag Nachdruck zu verleihen, stupste sie die Freundin an.
„Sonntag geht nicht, da mach ich einen Ausflug mit Satoh. Ist ein wichtiger Kunde.“
Anna lachte.