Über die Autorin
Mara Andeck wurde 1967 geboren. Sie hat Journalismus und Biologie studiert, volontierte beim WDR und arbeitet heute als Wissenschaftsjournalistin. Im Boje Verlag erschienen 2013 ihre ersten beiden Jugendbücher Wen küss ich und wenn ja, wie viele? und Wer liebt mich und wenn nicht, warum?. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Töchtern und einem Hund in einem kleinen schwäbischen Dorf.
Mit ihrem Hund hat Mara Andeck inzwischen mehr als zehntausend Kilometer gemeinsam zurückgelegt, auf denen sie die Ideen für dieses Buch sammelte. Der Hund erwies sich bei der Recherche auch als unermüdlicher Testesser und beim Schreiben als inspirierende, wenn auch nicht immer wohlriechende Muse unterm Schreibtisch.
»Mein Leben hat keinen Sinn. Es hat keine Richtung,
kein Ziel, keine Bedeutung. Und trotzdem bin ich glücklich.
Wie kommt das? Was mache ich nur richtig?«
SNOOPY, HUND VON CHARLY BROWN
Inhalt
- Vorwort: Ein Hund muss tun, was ein Hund tun muss
- I. Hund und Mensch
- 01 Einen Hund als Hund erkennen
- 02 Einen Hund definieren
- 03 Worte für Hunde finden
- 04 Einen Hund vermenschlichen
- 05 Von einem Hund getröstet werden
- 06 Einen Hund angähnen
- 07 Einen Ausreißer entschuldigen
- 08 Einen Hundebesitzer demütigen
- 09 Einen Hundehaufen entfernen
- 10 Einen Hundehaufen nicht entfernen
- 11 Einen Hundenamen finden
- 12 Einen Hund be- und verkleiden
- 13 Für Hunde backen
- 14 Hunde kochen, backen oder braten
- 15 Mit Hunden heilen
- 16 Wo der Hund begraben liegt
- 17 Einen Hund begraben
- 18 Einen Hund im Testament berücksichtigen
- 19 Unnützes Hundewissen zum Thema Hund und Mensch
- II. Hund und Natur
- 20 Die Welt mit der Nase wahrnehmen
- 21 Die Welt durch Hundeaugen betrachten
- 22 Mit gespitzten Ohren durch die Welt gehen
- 23 Der sechste und der siebte Sinn des Hundes
- 24 Hund und Intelligenz
- 25 Die Lebenseinstellung eines Hundes testen
- 26 Einem Hund das Sprechen beibringen
- 27 International bellen
- 28 Hund und Sex
- 29 Einen Baum markieren
- 30 Mit einem Hund in den Wald gehen
- 31 Hund und Dreck
- 32 Einem Hund Schuhe anziehen
- 33 Eine Zecke töten
- 34 Einen Hund retten
- 35 Einen Hund entwurmen
- 36 Den ökologischen Pfotenabdruck eines Hundes berechnen
- 37 Unnützes Hundewissen zum Thema Hund und Natur
- III. Hund und Gesellschaft
- 38 Hunde in der Statistik
- 39 Einen Hund versteuern
- 40 Einen Hund kaufen
- 41 Einen Rassehund anschaffen
- 42 Wofür Hunde gezüchtet wurden
- 43 Einen Mischling aussuchen
- 44 Einen Nothund aufnehmen
- 45 Einen Hundeführerschein ablegen
- 46 Einen »Kampfhund« halten
- 47 Für einen Hund haften
- 48 Was Hundebesitzer oft sagen, wenn sie sich treffen
- 49 Hund und Wettbewerb
- 50 Einen Job für den Hund finden
- 51 Mit Hunden ausgehen
- 52 Einem Hund Tricks beibringen
- 53 Hund und politische Macht
- 54 Unnützes Hundewissen zum Thema Hund und Gesellschaft
- IV. Hund und Kultur
- 55 Mit einem Hund unterm Schreibtisch schreiben
- 56 Über Hunde schreiben
- 57 Hund und Lyrik
- 58 Hund und Ratgeberliteratur
- 59 Einen Hund malen
- 60 Einem Hund ein Denkmal setzen
- 61 Guerilla Dogging
- 62 Hund und Musik
- 63 Hund und Film
- 64 Hund und Comic
- 65 Über Hunde lachen
- 66 Hund und Museum
- 67 Unnützes Hundewissen zum Thema Hund und Kultur
- V. Hund und Religion
- 68 Einen Hund anbeten
- 69 Hunde in der Bibel und im Koran
- 70 Heilige Hunde
- 71 Buddha und seine Löwenhunde
- 72 Als Hund wiedergeboren werden
- 73 Einen Hund im Himmel wiedersehen
- 74 Luthers Hund
- 75 Unnützes Hundewissen zum Thema Hund und Religion
- VI. Hund und Fortschritt
- 76 An Hunden forschen
- 77 Mit Hunden den Südpol erobern
- 78 Mit Hund die Tiefen der Seele ergründen
- 79 Einen Hund ins All schießen
- 80 Einen Hund klonen
- 81 Hunde erforschen
- 82 Einen Hund mit GPS wiederfinden
- 83 Hundesprache übersetzen
- 84 Einen Hund in der Waschanlage reinigen
- 85 Aus Hundekot Strom gewinnen
- 86 Einen Hund mit Stromschlägen erziehen
- 87 Spielzeug, das die Hundewelt nicht braucht
- 88 Hund und Sport
- 89 Mit Hunden fliegen
- 90 Hund und Internet
- 91 Unnützes Hundewissen zum Thema Hund und Fortschritt
- Nachwort: Hund und Zukunft
- Literatur
- Dank
Vorwort: Ein Hund muss tun, was ein Hund tun muss
Kürzlich wollte ich einen Artikel über anstrengende Hunde schreiben, über wirklich schlecht erzogene Köter, die mit ihren Marotten das gesamte Leben ihrer Familien umkrempeln.
Weil mein Hund so nicht ist, konnte ich auf keine eigenen Erfahrungen zurückgreifen und fragte andere Hundebesitzer nach den Eigenarten ihrer Vierbeiner. Aber deren Hunde waren auch nicht von dieser Sorte, sie hatten ebenfalls keine schlechten Angewohnheiten.
Zufällig erwähnte ich das Thema dann in einer Runde von Nicht-Hundebesitzern, und plötzlich sprudelten die Geschichten nur so hervor. Jeder kannte einen schlecht erzogenen Hund. Da gab es welche, die sich leidenschaftlich gern in Aas wälzten und danach infernalisch stanken. Hunde, die Schlammbäder liebten, aber Vollbäder hassten. Hunde, die Lebensmittel stibitzten und an geheimen Orten überall in der Wohnung versteckten, wo diese Beute dann vor sich hin gammelte. Solche, die ihren Besitzern Kleidungsstücke sehr persönlicher Natur stahlen und damit ihr Körbchen auspolsterten. Knurrende Hunde, bellende Hunde, beißende Hunde.
Und Menschen gab es! Menschen, die angeblich ihr gesamtes Leben freiwillig den Bedürfnissen ihrer vierbeinigen Hausgenossen unterordneten, von der Wohnungseinrichtung über den Urlaubsort bis hin zu Freizeitbeschäftigungen, Essens- und Schlafenszeiten.
Mein Hund und ich
Ich verließ diese Runde früh, denn mein Hund wartete auf mich. Er roch nicht besonders gut, als er mich stürmisch begrüßte. Nachdem er meine Taschen durchschnüffelt und an meiner Jacke Sabberspuren hinterlassen hatte, rannte er zu seinen Näpfen und fraß und trank. Wenn ich weg bin, kann er nämlich weder Nahrung noch Flüssigkeit zu sich nehmen, er liegt dann an der Haustür, stellt sich tot und wartet, bis ich zurückkomme. Man erkennt es an dem braunen Dreckfleck auf dem hellen Boden vor der Haustür, der schattenrissartig sein Abbild wiedergibt. Mein Hund wartet still und ohne Vorwurf, aber ich weiß, wie sehr er meine Rückkehr ersehnt, und deswegen bleibe ich nie lange weg. Als mein Hund an diesem Abend seine Mahlzeit beendet hatte, ließ ich ihn noch kurz in den Garten, dann rief ich ihn zu mir, betrat mein Schlafzimmer und sprang in mein Bett. Ich muss Anlauf nehmen, um hineinzugelangen, denn das Bett ist ziemlich hoch. Es steht auf vier Tischbeinen. Ich habe sie angeschraubt, damit mein Hund darunter mehr Platz hat. Er besteht nämlich auf diesen Schlafplatz, und wenn er nicht mit hoch erhobenem Haupt zu seinem Lager schreiten und sich bequem zusammenrollen kann, dann kriecht er eben nachts heimlich auf dem Bauch in diese seine Schlafhöhle. Er ist ziemlich groß, und unter normalen Betten bleibt er stecken. Man muss dann morgens das Bettgestell vorsichtig anheben und den stattlichen Hund befreien, ohne ihn zu verletzen. Seit wir die Tischbeine haben, ist das aber kein Problem mehr.
Bevor ich an diesem Abend einschlief, hörte ich mit gemischten Gefühlen, wie mein Hund an etwas nagte, vermutlich an einer meiner Socken. Und ich erkannte, dass ich ein Mensch bin, der sein gesamtes Leben freiwillig den Bedürfnissen seines vierbeinigen Hausgenossen untergeordnet hat, von der Wohnungseinrichtung über den Urlaubsort bis hin zu Freizeitbeschäftigungen, Essens- und Schlafenszeiten.
Mein Hund ist aber wirklich kein schlecht erzogener Hund, dabei bleibe ich. Er tut, was ein Hund eben tun muss. Und als Hundemensch weiß ich das.
Konsequenz ist das Zauberwort
Als mein Hund in mein Leben trat, war ich gewappnet. Ich besaß eine Welpen-Erstausstattung, die der junger Eltern im neunten Monat der Schwangerschaft ähnelte: Körbchen, Decken, Näpfe, Spezialnahrung, Brustgeschirr, weiche Bürsten für zarte Babyhaare, harte Bürsten für hartnäckigen Schmutz. Und ich hatte Ratgeberliteratur für jede Lebenslage, Bücher über Hundehaltung, Hundeerziehung, Hundegesundheit und Hundeernährung. Ich wusste also schon an unserem ersten gemeinsamen Tag: Konsequenz ist in der Hundeerziehung das Zauberwort, und man muss jeden Befehl mindestens zweitausend Mal aussprechen, bevor der Hund ihn zuverlässig befolgt.
Mein Hund zeigte Konsequenz. Manche Befehle führte er schon beim ersten oder zweiten Mal zuverlässig aus und ignorierte sie danach nie wieder. Zum Beispiel den Befehl »Sitz!«, verbunden mit der Aufforderung »Bleib!«. Wenn ich das in freier Wildbahn zu meinem Tier sage, sitzt es wie festgetackert da. Nichts und niemand kann es dazu bewegen, sich zu erheben, bevor ich das Kommando »Lauf« gebe. Manchmal gehe ich in Gedanken versunken weiter und vergesse, den Befehl aufzuheben. Irgendwann höre ich dann ganz von fern ein klägliches »Wuff« und muss aus voller Lunge »Lauf!« brüllen, damit der Hund mir mit flatternden Ohren nachstürmt.
Andere Befehle aber ignorierte dieses Tier von Anfang an mit ebenso bewundernswerter Konsequenz, und nach etwa zweitausend vergeblichen Versuchen gab ich auf. Ich sah ein: Dieser Hund wird nie länger als zehn Schritte ordentlich an der Leine gehen. Er will es nicht, es liegt ihm nicht, es ist ihm wesensfremd. Und was er nicht will, das tut er zwar manchmal kurz mir zuliebe, wenn er merkt, dass es mir wirklich wichtig ist, in der Hundeschule zum Beispiel. Aber er tut so etwas niemals auf Dauer.
Die Hundebücher, die ich besitze, haben mich auf diesen Hund nicht vorbereitet. Ich weiß nach dieser Lektüre zwar alles übers Bellen, Beißen, Barfen und Bällchenholen. Aber mein Hund bellt nicht, er beißt nicht, er frisst kein rohes Fleisch, und Bälle bringt er mir nur aus Höflichkeit zurück; er selbst findet das langweilig. Natürlich ist er ein Hund, und auch für ihn gilt einiges, was für die meisten Hunde zutrifft. Aber er ist eben nicht irgendein Hund, sondern ein Individuum mit Vorlieben und Abneigungen – und er ist mein Hund. Er beobachtet mich seit unserem ersten Tag, und er benötigt kein Menschenbuch, um mich zu durchschauen. Er riecht meine Stimmung und reagiert darauf. Er hört es, wenn meine Stimme vor Wut bebt und verzieht sich dann lieber. Und wenn mir ein Befehl nicht wirklich wichtig ist, dann spürt er auch das und ignoriert ihn. Stets bemüht er sich, der zu sein, den ich mir wünsche, soweit ihm dies möglich ist, aber gleichzeitig der zu bleiben, der er nun mal ist. Mit einem anderen Menschen wäre er ein anderer Hund, und auch ich wäre mit einem anderen Hund ein anderer Mensch.
Ich und mein Hund
Mein Hund und ich haben inzwischen mehr als 10 000 Kilometer gemeinsamen Weges zusammen zurückgelegt. Wir haben auf diesen Strecken nette und böse Hunde getroffen, freundliche und griesgrämige Menschen, außerdem Hasen, Katzen, Eichhörnchen, Rehe, Wildschweine, Füchse und einmal sogar ein Zebu. Wir haben einige entlaufene Hunde sowie ein Pferd eingefangen und ein Siebenschläferbaby gerettet. Drei unserer Spaziergänge endeten für ihn beim Tierarzt und einer für mich beim Orthopäden.
Keines meiner Hundebücher hat mich wirklich auf diese Spaziergänge vorbereitet. Auf die Momente der Angst, wenn ein leinenloser Kampfhund die Pfiffe seines Besitzers ignoriert und in vollem Galopp auf mein geliebtes Tier zurast. Auf die unglaubliche Wut auf den eigenen Hund, wenn er einem kleineren Hund gegenüber wenig innere Größe zeigt oder wenn er einem Größeren gegenüber einfach nicht klein beigeben kann. Auf das Glück, das man beim Beobachten selbstvergessen spielender Hunde empfindet. Auf die eigene Verzweiflung, wenn man nicht gut genug aufgepasst hat und dem Hund etwas passiert.
Auf solche Situationen können Bücher gar nicht vorbereiten.
Seit ich das weiß, lese ich keine Hundebücher mehr und höre stattdessen auf meinen Hund. Seitdem kommen wir beide viel besser miteinander aus, denn der beste Lehrer in der Ausbildung zum Hundemenschen ist eben doch der eigene Hund.
Warum dann doch ein Hundebuch?
Es gibt trotzdem Fragen, die allen Hundebesitzern bei langen, einsamen Hundespaziergängen durch den Kopf gehen. Und bisher gibt es kein Buch mit Antworten darauf.
Ist eine Zecke tot, wenn man sie in die Toilette wirft? Dürfen Jäger Hunde totschießen? Wo liegt eigentlich der sprichwörtliche Hund begraben? Und wie tief muss man einen Hund begraben, den man im Garten beerdigen möchte? Warum heben Rüden beim Pinkeln ihr Bein, Hündinnen aber nicht? War Lassie (der Name bedeutet immerhin »Mädchen«) eine Hündin? Sehen Hunde fern – und wenn ja, welche Filme mögen sie? Gibt es schlagfertige Alternativen zu dem abgegriffenen Satz »Der tut nichts, der will nur spielen«? Kommen Hunde in den Himmel? Sehen Hunde Farben? Wie lange hält sich ein Hundehaufen in freier Natur? Und warum spielt der Hundehaufen in der Kinderliteratur eine so wichtige Rolle?
Antworten auf solche und andere Fragen will dieses Buch geben, gründlich durchdacht, möglichst unterhaltsam, manchmal skurril, oft lehrreich, nie belehrend, immer alltagstauglich. Dabei soll dieses Buch kein Ratgeber sein, sondern einfach nur Stoff zum Nachdenken liefern für lange, einsame Spaziergänge mit dem Hundetier.
Übrigens: Wenn im Text von einem »Hund« die Rede ist, ist immer auch die weibliche Form gemeint. Dasselbe gilt für den Hundehalter, einfach deswegen, weil die Sätze sehr sperrig werden, wenn beide Geschlechter angemessen berücksichtigt werden. »Herrchen« allerdings sind immer männlich und »Frauchen« immer weiblich.
01 Einen Hund als Hund erkennen
Es gibt große Hunde, kleine Hunde, dicke Hunde, dünne Hunde, schwarze, braune, graue, gelbe, fuchsrote, weiße und gepunktete Hunde, haarige Hunde und nackte Hunde, schlappohrige und spitzohrige Hunde, Hunde mit Ringelschwänzen, Hunde mit langer Rute und Hunde ganz ohne Schwanz.
Hunde kommen in mehr Varianten vor als jede andere Tierart.
Kein Wunder, dass Kleinkinder vorsichtshalber jedes Tier, das ihnen begegnet, erst einmal »Wauwau« nennen. Meistens liegen sie damit richtig.
Beim Heranwachsen sammelt jeder Mensch dann aber vielfältige Erfahrungen auf dem Gebiet der Zoologie und ist spätestens als Erwachsener in der Lage, Hunde mit einer hohen Trefferquote als Hunde zu identifizieren. Damit das funktionieren kann, muss das menschliche Gehirn einen komplexen Entscheidungsprozess bewältigen, der im Schaubild auf der folgenden Doppelseite schematisch dargestellt ist.