Fernhalten. Ein Neuseeland-Roman
Wanaka, 01. April 2010
Hahaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa! Juchhuuuuuuuuuuuu! Jippiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeee!
Hier im fernen Wanaka tanzt eine Frau … auf Adrenalin … auf Dopamin!!!
Mein liebster Gabriel … das war der absolute Wahnsinn! Ich will mehr davon!! Ich hätte große Lust, meine Fallschirmlizenz zu erwerben!! Wenn der Spaß nur nicht so kostspielig wäre … und das Hamburger Wetter nicht so springunfreundlich.
Aber da mich derzeit nichts betrüben kann, ist es wie es ist und zwar großartig!!!
Nach einer unerwartet erholsamen Nacht machen Luise und ich die Äuglein auf, schauen uns an und BÄHM fällt es uns ein: Wir springen heute! Die Zeit bis dahin vergeht unfassbar langsam, aber die Laune steigt minütlich. Endlich können wir uns auf den Weg machen. Wir schlendern bei behaglichem Sonnenschein zum Visitor’s Centre und schon nach kurzer Wartezeit und viel Gekicher werden wir zusammen mit einer anderen Deutschen, aus dem Schwabenländle, von einem kleinen Geländewagen, auf dem der nicht zu übersehende Werbeschriftzug „Skydiving“ steht, eingesammelt und zum Flugplatz gefahren. Eine lustige Fahrt mit einer amüsanten, jungen Lady am Steuer, die uns bereits die wichtigsten Infos zukommen lässt, dann einen kleinen Bildschirm hochklappt und unsere Aufmerksamkeit auf ein Video lenkt, das das weitere Vorgehen zeigt. Bauchkribbeln. Noch mehr Gekicher. Händchenhalten. Blöde Sprüche. Vorfreude. Kurz davor zu stehen, etwas zu tun, das man noch nie gemacht hat, birgt wohl eines der schönsten und aufregendsten Gefühle … und wir sind mittendrin.
Als wir nach einer Viertelstunde da sind, aussteigen, uns umschauen und die vielen kleinen Punkte vom Himmel fallen sehen … die größer und größer werden und plötzlich ganz bunt, da geht mir das Herz auf und meine Ungeduld ist nur noch schwer auszuhalten.
Man würde sich gleich um uns kümmern, heißt es. „Gleich“ ist ein sehr, sehr relativer Begriff! Wir müssen noch die Formalitäten klären, ein, zwei Unterschriften leisten, die Kreditkarte zücken. Ob wir gefilmt werden wollen. Nee, lieber nicht. Der Spaß kostet noch mal ne ordentliche Hausnummer. Und wirklich hübsch anzusehen ist man nun nicht gerade, wenn einem der Wind die Wangen bis hinter die Ohren pustet! Man setzt uns auf ein Sofa. Ein großer Flachbildschirm zeigt uns wieder einen Sprung. Das nervöse Herz beschleunigt. Luise entfährt ein: „Oh man, wir sind doch völlig verrückt.“ Das sagt sie so fünf, sechs Mal. Ich glaube, sie hat recht.
Schließlich kommt eine junge Frau auf uns zu und bringt zwei blau-rot-gelbe Overalls und einen Wust aus Gurten und Schnüren mit. Wir schlüpfen in die Anzüge und werden verschnürt. Schnell noch ein paar Fotos machen, dann Kappe auf, Handschuh an und raus aufs Rollfeld. Da steht es, dieses winzig kleine Flugzeug. Bevor der eigene Selbsterhaltungstrieb infrage stellen kann, ob da einzusteigen eine gute Idee ist, schnappen sich uns zwei Typen, stellen sich als unsere Springpartner vor und begleiten uns zu der Propellermaschine. „Ich mache das heute zum ersten Mal. Aber wird schon schief gehen!“ … „Ich hab gestern schon wieder drei Leute verloren, also, ganz aus Versehen natürlich. Heute wird es aber sicher besser laufen.“, sind die Sprüche, die uns um die Ohren fliegen. Jungs, ihr seid kranke Sadisten! Aber so richtig aufnahmefähig ist man ohnehin nicht mehr. Kein Zurück möglich. Wir quetschen uns mit acht Mann in dieses Flugzeug, übereinander, wir auf dem Schoß der Männer, in deren Händen unser Leben liegt. Wir fahren los, wir heben ab. Irgendwann schließt einer vorerst die Tür. Gutes Gefühl. Die Aussicht ist gigantisch! Türkisgrüne Seen und Flüsse (nein, da wollen wir nicht drin landen), die Southern Alps, der Mount Cook, das malerische Hügelland. Luise wird blass. Und blasser. Sie wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu. Sie kichert nicht mehr. Sie hat Angst. Oh weh. So war das doch nicht gedacht.