Entscheidung im Wattenmeer
1. Überraschungen
„So, Schatz, jetzt kriegst du endlich deinen Willen!“ Allein die Art und Weise, wie Daniel mit besonderer Betonung diese Worte sprach und sie dabei kaum ansah, signalisierte Janina, dass tatsächlich etwas Besonderes passiert war.
Sie saß auf der von „ihrem Mann“, wie sie Daniel immer nannte, wenn sie irgendwo eingeladen waren, so geliebten schweren dunkelbraunen Ledercouch und schaute ihn schweigend so ungläubig an, dass er sich durch ihre Stummheit aufgefordert fühlte, einfach weiterzureden: „Ja, so ist es, wir gehen wieder nach Deutschland. Du brauchst gar nicht so zu gucken mit deinen großen Augen.“
Janinas rehbraune Augen wurden tatsächlich größer.
„Ich habe dir immer gesagt, der Tag wird kommen!“, fuhr er fort, schlich extrem aufrecht gehend um das Sofa herum und redete, mit hoch erhobenem Kopf zur Zimmerdecke blickend, einfach weiter: „Na, du hast mich doch genervt, seitdem wir hier sind. Jetzt geht es eben zurück. Wir haben einen Konzern gekauft und ich übernehme die Leitung!“, erklärte er mit sichtlichem Stolz. „Janina, das katapultiert mich einkommensmäßig auf einen Schlag in den Millionenbereich. Mit Tantiemen und einigen anderen Quellen, die sich daraus ergeben, wird es mindestens noch mal das Doppelte drauf geben.“
Janina erhob sich vom Sofa und nickte, bis Daniel, der weiterhin sehr entschlossen wirkte, endlich Janinas Blick erwiderte.
Und obwohl er auf Janina, die weiterhin schwieg, durchaus sehr selbstsicher wirkte, spürte Daniel in sich eine gewisse Unsicherheit aufsteigen. Und wie immer, wenn er das spürte, drehte er, für andere kaum bemerkbar, blitzschnell für einen ganz kurzen Moment seinen Kopf zur Seite und genauso schnell wieder zurück. „Du sagst ja gar nichts. Freust du dich nicht?“, fragte er.
Janina zögerte und schaute ihn einfach nur an. Da stand er nun. Der Schlacks, dachte Janina. Schon fast vierzig, aber immer noch genauso mager wie ein Oberprimaner. Aber in seinem Gesicht sieht man schon die ersten Spuren des Lebens. Wäre er da etwas dicker, würde man das wahrscheinlich gar nicht sehen, dachte sie weiter und erhob sich von der Couch. Sie ging die wenigen Schritte zu ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Doch, Daniel, ich freue mich. Ich freue mich sogar sehr. Aber ich muss das für mich erst einmal registrieren.“ Sie löste ihre Arme und setzte sich wieder auf die Couch. „Du musst wissen, ich habe heute, nachdem ich meine Reportage geschrieben hatte, sehr viel nachgedacht. Wir sind jetzt sieben Jahre zusammen. Vor drei Jahren sind wir hierher nach New York gekommen. Da hast du mir erzählt, wenn wir uns eingelebt haben, dann heiraten wir. Was ist passiert? Nichts ist passiert. Und jetzt frage ich mich …“
Daniel spürte, dass es in Janina brodelte. Auch er hatte über die Jahre natürlich gemerkt, dass sie mit ihren momentanen Lebensumständen nicht zufrieden war. Aber irgendwie war es ihm in all den Jahren trotzdem immer wieder gelungen, die Sache nicht zu sehr hochkommen zu lassen. Zumindest sah er es so, dass für ihn alles so gekommen war, wie er es für sich geplant hatte. Er wollte immer nur eines: die ganz große Karriere machen. Und jetzt, kurz vor seinem achtunddreißigsten Geburtstag, sah er sich am Ziel dieses Weges. Okay …, dachte er, … dass eine Frau mit Anfang dreißig auch mal Mutter werden möchte …, ja, dafür hatte er sogar Verständnis. Aber er hatte auch Angst davor, durch einen Familienzuwachs eingeschränkt zu werden.
Mit schroffem Ton unterbrach er Janina. „Du musst dich gar nichts fragen, Janina. Ich weiß, was ich gesagt habe. Ich weiß aber auch, dass alles stimmig sein muss, wenn man einen so wichtigen Schritt geht.“ Er drehte sich um und wandte ihr den Rücken zu. Auch eines seiner taktischen Spielchen aus seinem Geschäftsleben. Wenn ihm etwas nicht gefiel, wandte er sich einfach ab.