Die Magnatin. Mein Leben am Hof der Blutgräfin Elisabeth Báthory
Leseprobe aus Kapitel II:
Die Reise nach Sárvár blieb mir in ziemlich unerfreulicher Erinnerung. […]
Nachdem wir den Turm zum Innenhof passiert hatten, hielten wir zunächst nach einem Pferdeknecht Ausschau. Johannes erspähte in dem Gewühl des Burggeschehens alsbald einen Burschen und überließ ihm für einen ungarischen Forint unsere Pferde. […]
Der Wehrgang war überfüllt von bis an die Zähne bewaffneten Heiducken. Mir war bekannt, dass die Männer in ihren schwarzen Heiduckenmützen bei den ungarischen Magnaten bessere Verdienstmöglichkeiten und Unterstützung im Kampf gegen die Osmanen hatten. Plötzlich kam um uns herum Unruhe auf. „Oh mein Gott, sieh nur, Johannes!“, schrie ich und wies auf das vorgelagerte Bollwerk, auf dessen Spitze man einen riesigen Pfahl errichtet hatte, an dem ein Mann gerade in den letzten Zügen seines Lebens hing.
„Sie haben einen Mann gepfählt!“
Johannes’ Gesicht blieb unbewegt. Trotzdem sah ich, wie er zitterte und sein Kiefer sich verkrampfte, während er mich von der Mauer weg zurück in den Wehrgang zerrte. Mir drehte sich der Magen um.
An der breitesten Stelle der Geschützplattform entdeckten wir den jungen Báthory. Der Neffe der Gräfin stand mit dem Rücken zu uns und hatte sich über eine Gestalt gebeugt, die man nackt bäuchlings über ein Wagenrad geworfen hatte. Zwei Soldaten pressten gerade die Arme des Unglücklichen seitlich auf das Rad, ein Dritter drückte ihm die Faust ins Genick und zwei Männer mit nacktem Oberkörper und glänzenden Muskeln rissen seine Beine auseinander. Noch ehe sich meiner zugeschnürten Kehle ein Schrei entringen konnte, zog ein Husar einen angespitzten Pfahl aus dem Feuer und stieß dem Mann die glühende Spitze in den Anus. Der Gepeinigte schrie vor Schmerz, wie ich noch nie einen Menschen hatte schreien hören. Es roch nach verbranntem Fleisch und ich verbarg erschüttert mein Gesicht in den Händen. Begleitet von dem lauten Jubelgeschrei der umstehenden Soldaten wurde der Pfahl nun aufgerichtet. „Tod dem Beg von Szigetvar!“, erklang es vielstimmig.
Johannes schirmte mich nun mit seinen kräftigen Armen gegen die Soldaten ab, während er mich sanft von dem Geschehen wegzudrängen versuchte. „Ich bringe Euch lieber fort von hier, Komtesse, das ist nichts für ein sanftes Frauengemüt“, sagte er leise, während wir uns den Weg zurückbahnten. „Aber warum …?“, keuchte ich. „Wer hat eine solch grausame Strafe verdient? Kannst du nicht in Erfahrung bringen, weshalb der Mann sterben musste?“
Widerwillig begab Johannes sich zu einem der Kanoniere und kam mit der gewünschten Information zurück: „Die Soldaten sagen, dass der Beg den Besitz von Graf Nádasdy in Stuhlweißenburg besetzt gehalten hatte und der Graf eine List anwandte, um ihn herauszulocken. Der osmanische Herrscher ging ihm auf den Leim und Nádasdy schlug ihm kräftig eins auf die Nase. Viele Türken fielen oder wurden gefangen genommen, so auch der Sohn des Beg. Für dessen Freilassung hat der Graf vom Beg 12.000 Goldmünzen gefordert. Um das Geld auftreiben zu können, leistete der jüngere Bruder des Begs Bürgschaft. Der Beg war gewillt, die geforderten Schulden zu entrichten, sogar noch etwas mehr.“ Johannes beugte sich dichter an mein Ohr heran. „Trotzdem haben sie beide gepfählt und, um den Beg abzuschrecken, auf die Zinnen gesetzt. In diesem Krieg steht sich keine Seite in Grausamkeiten nach.“
Johannes’ Erklärung verwirrte mich nur noch mehr. „Es war doch keine gute Idee, hierher zu fahren. Wenn mein Vater das sehen könnte, würde er mich sofort zurückholen. Ein so grausamer Empfang ist kein gutes Omen. Komm, lass uns schnell weitergehen!“, drängte ich und sah mit Entsetzen, dass der Mann am Pfahl noch lebte und sich heftig bewegte.