Der Schrei der Zypressen. Ein Provence-Umwelt-Krimi
Aus Kapitel 1:
Wenn die Lerche ruft ---
Sie kennen das Gefühl: Ich hätte am liebsten die ganze Welt vors Gericht geschleppt. Das Detektivgeschäft kann so aufregend sein wie eine Talkrunde im Fernsehen am Sonntagabend. Ich hatte mein Geschäft gründlich satt. Deswegen entschloss ich mich dazu, meinen Freund und Partner Mario Paresi in der Provence zu besuchen. Aber das ist nicht der Kern der Geschichte. Dass ich dabei mein Damaskus erlebte, war nicht vorauszusehen. Leute, die sich darin auskennen, haben einmal gesagt, dass unsere Erde eine Leihgabe ist. Sie verpflichtet uns, sie unversehrt an die nächste Generation weiterzugeben. Ein Gedanke fürs Poesiealbum. Stephane Hessel bringt es besser auf den Punkt: „Noch fünfzig Jahre weiter so, dann ist die Erde nicht mehr lebenswürdig.“ Dies impliziert die Frage: Was tust du dagegen? Meine Bilanz war nicht besonders gut.
Am Ende dieser Geschichte sollte sie aber schon besser aussehen. Sie veränderte mich und mit mir ein paar Menschen. Einige davon waren mir lieb und teuer. Und ich zahlte dafür, wie es sich gehörte. Alle werden zahlen. So oder so.
Es fing damit an, dass ich gleich am Anfang den weißen Ritter spielen wollte und ich diese Rolle dann nicht mehr loswurde.
Es passierte auf der Fahrt von Paris nach Nizza. Ich fahre nicht gern mit der Bahn. Wenn es einen Gott der Schienen gibt, dann meint er es nicht besonders gut mit mir. Was daran deutlich wird, dass einmal mein Zug hinter Frankfurt entgleiste und mich mit dem Glas geplatzter Fensterscheiben überschüttete. Ein verdammt mulmiges Gefühl, wenn man sieht, wie sich die Fenster nach innen wölben und wie Türen aus den Angeln springen. Welcher Unsinn einem dann durch den Kopf geht. Ich dachte an die Blues Brothers und den Augenblick, als ihr Haus von einer Panzerfaust getroffen wird. Das andere Mal stürzte ich lang hin, als der ICE in den Stuttgarter Bahnhof einfuhr. Ich hatte nicht bedacht, dass der Zug sich vorher noch in eine Kurve legte. In Hamburg verstauchte ich mir den Knöchel, als ich den Bahnsteig betrat und in Berlin holte ich mir eine schwere Erkältung, als ich zwei Stunden auf meinen Zug warten musste. Nein, die Bahn ist nicht das von mir bevorzugte Verkehrsmittel. Deswegen lege ich selbst weiteste Entfernungen lieber mit meinem guten alten Triumph zurück, einem englischen Oldtimer aus den sechziger Jahren. Serena, meine frühere Sekretärin, behauptete immer, dass ich die alte Kiste mehr lieben würde als die Frauen, was natürlich eine hoffnungslose Übertreibung ist.
Doch diesmal hatte ich mich für den TGV entschieden – und alles kam ganz anders als erwartet. Es passierte etwas so Ungewöhnliches, dass ich auf dem Bahnhof von Lyon eine Lerche hörte. Richard Wagner hätte in einer Oper wenigstens durch den Chor angedeutet: Walle, walle, Unheil naht. Doch weder ein wagnerianischer Chor noch eine Wahrsagerin aus den griechischen Tragödien meldete sich. Stattdessen begegnete ich der ewigen Göttin, der Inkarnation von Isis, Aphrodite oder Athene. Wenn Sie damit nicht viel anfangen können, dann stellen Sie sich Penelope Cruz vor und Sie haben ein ungefähres Bild davon, was meine Verwirrung auslöste. Jedenfalls legte sich bei mir sofort ein Schalter um. Dabei gehöre ich nicht zu den schwärmerischen Typen, was schon mein Beruf verlangt. Mit fast vierzig Jahren kann man mich als gestandenes Mannsbild bezeichnen, das bereits ein paar Illusionen abgelegt hat. Meinen Körper habe ich mit einigen asiatischen Sportarten in Form gebracht. Wenn ich auch nicht wie Ken, der Partner von Barbie, aussehe, so bin ich doch der blonde Typ mit den grauen Augen, von dem sich alte und junge Damen gerne den Abfalleimer runterbringen lassen. Mit festen Beziehungen hatte es aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht geklappt, doch nun mischten sich eine der bereits angeführten Göttinnen ein. Die Überraschung gelang ihnen gründlich.
Ich hatte mir ein paar schöne Tage in Paris gegönnt.