Der Falke von Malta
Sarim trank den Becher mit Wasser, den er vor sich hatte, in einem Schluck aus. Dieses Zeug schmeckte schlichtweg nach gar nichts. Er hätte gern einen guten Schluck Wein getrunken, aber er wusste, dass jedem der anwesenden Christen bewusst war, dass er sich als Moslem des Alkohols enthalten musste. Ein Verstoß gegen dieses Verbot in der Öffentlichkeit könnte, wenn es dem Emir bekannt wurde, zu ernsthaften Konsequenzen führen. Also beherrschte Sarim sich und betrachtete weiter die trinkenden Männer, die hier saßen und mehr oder weniger dem alkoholhaltigen Getränk zusprachen.
Bald bemerkte er, dass noch jemand im Raum abseits saß und zu keiner Gruppe zu gehören schien. Er betrachtete den Mann genauer. Der Fremde war dunkelhäutig. Dunkler als er, aber nicht schwarz. Er wirkte eher wie ein Araber aus den Wüstenregionen. Er trug einen langen schwarzen Kaftan und dazu einen ebenso schwarzen Turban. Der Bart des Mannes war von silbernen Fäden durchzogen, was darauf schließen ließ, dass er nicht mehr der Jüngste war. Als Sarim die Augen des Mannes, der nur wenige Tische seitwärts von ihm saß, betrachtete, fiel ihm auf, dass der Fremde seinen Blick erwiderte. Der Mann hatte ihn wahrscheinlich die ganze Zeit beobachtet. Möglicherweise weil sie die beiden einzigen Diener des Propheten in diesem Haus waren. Vielleicht auch, weil er ebenso wie der Fremde allein an einem Tisch saß. Aber Sarim war zu misstrauisch, um von vornherein auszuschließen, dass es nicht auch etwas mit den beiden Morden zu tun haben könnte. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens erhob Sarim sich, ging auf den Mann zu und blieb direkt vor seinem Tisch stehen. Über das Gesicht des Alten huschte ein Lächeln.
„Sarim, Wächter des Emirs. Wie schön, dass du mir Gesellschaft leisten möchtest“, begrüßte ihn der Mann mit freundlicher, tiefer Stimme.
Sarim runzelte die Stirn, als er der Einladung des Fremden folgte und sich ihm gegenüber auf einen Stuhl setzte. Noch einmal betrachtete er das braune, wettergegerbte Gesicht des Mannes. Jetzt war er sich sicher, dass er es mit einem Wüstenbewohner zu tun hatte. Dieser Mann hatte bis nach Malta einen weiten Weg zurückgelegt. Und doch kannte er Sarims Namen und seine Stellung. Ein Gedanke, der den Wächter nachdenklich stimmte. Ebenso freundlich wie sein Gegenüber erwiderte er: „Wie kommt es, dass du meinen Namen kennst, ich den deinen aber nicht?“
Der Fremde schaute ihn lächelnd an.
„Eine kluge Frage, mein junger Freund. Nun, sagen wir, ich weiß eine Menge Dinge über diese Stadt, dieses Land und die Leute, die hier leben.“
„Und wer bist du?“
„Nenn mich doch einfach Falke.“ Das Lächeln des Fremden schien für einen Augenblick noch etwas breiter zu werden. Sarim zog die Augenbrauen fragend zusammen. Dann murmelte er leise: „Ein Falke des Propheten?“
Der Mann, der sich mit Falke vorgestellt hatte, lachte leise. Dann erwiderte er genauso leise: „Der Prophet braucht keine Falken. Er hat Schwerter, mein Freund.“
„Hat eines dieser Schwerter den Christen Edok ermordet?“
„Ich dachte, du bist der Ermittler des Emirs. Finde es heraus.“
„Ich werte das als Ja.“
„Hast du nützliche Beweise, die jemanden mit den Morden in Verbindung bringen?“, fragte der Fremde belustigt. „Soweit ich weiß, nicht. Oder sollten meine Informationen falsch sein? Du tappst im Dunkeln.“
„Was weißt du über diese Sache?“, zischte Sarim, der mittlerweile kurz davor war, die Fassung zu verlieren. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, hier von einem Fremden verspottet zu werden. „Wenn du etwas weißt, dann bist du verpflichtet, es mir zu sagen. Andernfalls werde ich dich mitnehmen und dich im Verließ des Palastes einer Befragung unterziehen. Und auch wenn die Folterknechte des Emirs nicht oft die Möglichkeit haben, es unter Beweis zu stellen, sie können mit ihren Werkzeugen sehr gut umgehen.“
Wieder lachte der Falke amüsiert auf.