Balanced Scorecard - einfach konsequent
2.3 Strategieerarbeitungsworkshop
Boltenhagen, so schön es bei Sonne und im Sommer ist, im November kann es manchmal recht trist sein - gerade in 2002 war noch viel für die alte Schönheit zu tun. Aber die grauen Novembertage hatten einen Vorteil: Alle Teilnehmer am Strategieerarbeitungsworkshop waren voll dabei, keiner hatte Lust auf einen Spaziergang im Nieselregen am Meer.
Überrascht waren alle, als zuerst die Frage nach Lebensträumen angesprochen wurde. Und wir waren überrascht, als unisono zwei Themen auf den Tisch kamen:
- Wir sind Mecklenburger und wollen hier sichere Arbeitsplätze.
- Wir würden gern mehr Verantwortung übernehmen ... (... aber der Chef ist ja immer so schnell).Den zweiten Aussagenkomplex steckte Herr Johansson etwas gequält weg - und seine Frau stimmte zu: „Du bist schon ein fixer Bursche und überfährst damit manchmal. Mecklenburger brauchen eben ein bisschen länger!" Das konnte ja lustig werden - auch Herr Johansson war ja Mecklenburger. Aber die Grundaussage war doch vielversprechend. Man wollte sich engagieren.
Bei dem anderen angesprochenen Thema war Herr Johansson schon wieder obenauf: Seine Vision für 2015, also in rund 12 Jahren, lautete: „Wir machen mit 300 Mitarbeitern 30 Mio. € Umsatz und sind damit Mecklenburgs Bäcker Nummer 1." „Der spinnt schon wieder", war das Murren beim Abendessen zu hören, „jetzt machen wir gerade mal 7,0 Mio. € mit knapp 100 Mitarbeitern und das schlaucht schon." Johansson ereiferte sich: „Mit Frische für Sie setzen wir auf das richtige Pferd. Was glaubt Ihr, wie sich unsere Region entwickeln wird. Schwerin als Landeshauptstadt blüht immer mehr auf, Wismar wird ein Zentrum des Hanse-Tourismus und unsere Mecklenburger Küste wird der von Holstein den Rang ablaufen - es ist einfach so natürlich schön hier. Und Touristen, aber auch die Mecklenburger wollen nicht Plastik-Brötchen in Zellophan aus dem Supermarkt oder von der Tanke, sondern Frische von hier."
Irgendwie mussten wir ihm zur Seite springen: „Trauen Sie sich jährlich ca. 7 % Wachstum zu, wobei sicher 2 % Inflationssteigerung wären?" „Jo." „Und 12 Jahre jeweils 7 % sind etwa 15 Mio. €. Weitere 15 Mio. € erschließen Sie durch Zukauf bzw. neue Filialen - da haben sie ja bereits gute Erfahrungen gesammelt!" So hatten die Kollegen das noch nicht betrachtet. „Real 4 ... 5 %. Ja, das wäre machbar. Und das mit dem Zukauf hat ja in den letzten 10 Jahren auch ganz gut geklappt ..." Also unvorstellbar erschien ihnen die spinnerte Idee ihres Chefs nun nicht mehr - aber die Skepsis in ihren Augen war schon noch erkennbar.
Mit dem Slogan Frische von hier - Frische für Sie konnten sie sich eher eine Zukunft vorstellen. Nummer eins hatte ja auch etwas. „Als das würde ich gern bei meinen Nachbarn gesehen werden: ‚Der arbeitet bei Johansson, der Nr. 1' - das passt!"
„Tja, Herr Johansson, manchmal braucht man etwas Zeit um Menschen mitzunehmen ...", sinnierten wir spätabends beim Bier. Er aber war müde, um 03:00 Uhr begann wie üblich sein Tag, 22:30 war für ihn wie für seine Mitarbeiter doch schon sehr, sehr spät; man strebte dem Bett zu. Dafür hatten wir am nächsten Morgen um 07:00 doch etwas Probleme - nicht mit dem Frühstück, nein: Der Workshop begann! Die Kollegen waren putzmunter ...