Mitarbeiter motivieren und Kunden begeistern
An der Unternehmenskultur gescheitert: Der Alleinherrscher verliert, der Anthroposoph gewinnt
Es waren Termine, auf die sich die Mitarbeiterinnen wochen- und monatelang vorbereiteten.
Die kleine, enge Filiale musste am Stichtag blitzeblank und aufgeräumt sein, die Begrüßung der Besucher wurde zuvor von den Mitarbeiterinnen detailliert geübt und einstudiert. Unverkäufliche Ware, die chronisch die Filiale verstopfte, räumten sie zuvor in die Nebenräume oder den Keller. In den Regalen sollten nur bei den Kunden beliebte Shampoos, Waschmittel und Zahnpastatuben stehen - ganz so, als sei alles in Ordnung im Reich des schwäbischen Familienunternehmens.
Die Spannung bei den Mitarbeiterinnen erreichte ihren Höhepunkt, wenn Anton Schlecker und seine Frau Christa vorfuhren. Ein Ereignis, auf das sie sich vorbereitet hatten, als stünde der Besuch der Queen von England an. Wie würde das Ehepaar über den Zustand der Filiale befinden? Was sollten die Mitarbeiterinnen sagen, wenn der mit Ramsch vollgestopfte Keller zur Sprache kam? Die Begrüßung verlief meist nach Protokoll: „Guten Tag, Herr Schlecker, guten Tag, Frau Schlecker." War der Besuch beinahe schon überstanden, konnte es noch passieren, dass der Inhaber den Keller zu sehen wünschte. „Wir haben kein Licht im Keller", sagten schlagfertige Schleckerfrauen dann in ihrer Not. Vom Protokoll abweichende Konversation war oft nicht erwünscht. Christa Schlecker mochte es nicht, wenn ihr Mann persönlich angesprochen wurde, sagen ehemalige Mitarbeiter.
In einer Branche, in der die Margen hauchdünn sind und der Verdrängungswettbewerb brutale Züge trägt, hatte Anton Schlecker lange Zeit Erfolg. Die Geschichte seines Unternehmens ist zunächst die eines rasanten Aufstieges, der über drei Jahrzehnte anhielt. Sein Drogeriereich expandierte, bis es etwa um das Jahr 2007 herum die größte Ausdehnung erreicht hatte: 14.000 Filialen in 17 Ländern mit rund 50.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mindestens 7 Milliarden Euro - aus dem schwäbischen Familienbetrieb war im Laufe der Zeit ein Großkonzern geworden.
Im deutschen Einzelhandel gibt es eine ganze Reihe von Familienunternehmen, die wie Schlecker in der Nachkriegsära mit einem Laden begannen und sich durch stetiges Wachstum zu riesigen Konzernen entwickelten. Die meisten von ihnen - beispielsweise Aldi - sind bis heute sehr verschwiegene Imperien, die nicht viel nach außen dringen lassen. Auch Schlecker scheute kaum etwas so sehr wie die Öffentlichkeit. Doch sein Unternehmen geriet immer wieder in die Schlagzeilen, ohne dass er es verhindern konnte. Immer wieder kamen irritierende Details über den Umgang mit den Mitarbeitern ans Licht.