Internationale Projekte leiten
DAS SZENARIO
Der Tag von Mark Sieber - IT-Spezialist eines internationalen Futtermittelherstellers - verläuft frustrierend: Um sein Projekt, die Inbetriebnahme eines neuen, firmeneinheitlichen Steuerungstools im Vertrieb, vorzustellen, muss er bereits um 4:00 Uhr aufstehen, um nach Rom zu fliegen. Dort sollten auch einzelne Vertreter aus Frankreich anwesend sein, die aber dann doch nicht kommen. Vor Beginn der Sitzung muss er 45 Minuten auf den Vertriebsleiter Italien warten, der ihm ein paar „letzte Ideen" mitteilen wollte.
In der Sitzung schwankt die Stimmung der fünf italienischen Spartenleiter zwischen skeptisch und feindselig. Eine Einstimmung auf das Projekt durch deren internationale Vorgesetzte hatte anscheinend nicht stattgefunden. Was Mark Sieber besonders ärgert, sind die ständigen Unterbrechungen während der Sitzung - Handys kann man auch ausschalten, denkt er. Die Sitzungsleitung durch den italienischen Vertriebsleiter empfindet er als chaotisch und die Kommunikation als ineffizient. Die Aussage, der italienische Vertrieb sei zu überlastet, um sich auch noch um IT zu kümmern, hält er für kurzsichtig. Sie widerspricht zudem den Entscheidungen der Firmenspitze. Die vorherrschende Meinung in der Sitzung ist, das neue System sei vielleicht in Deutschland, Holland und Norwegen nützlich, berücksichtige aber nicht die besonderen Anforderungen des Vertriebs auf der Halbinsel. Sieber hält das für vorgeschobene Argumente. Die geforderten „größeren Anpassungen" sind aus seiner Sicht unnötig und bei den knappen Zeitvorgaben des Projekts sowieso nicht machbar.
Zumindest gelingt es Mark Sieber, die grundsätzliche Unterstützung der Anwesenden im Protokoll festzuhalten, und er bekommt die Zusage der Spartenleiter, in nächster Zeit je einen Mitarbeiter zur Unterstützung des Projekts zu benennen. Wie Herr Sieber aber den unterschiedlichen Interessen gerecht werden kann und ob er tatsächlich die zugesagte Unterstützung bekommt, ist für ihn noch mit großen Fragezeichen verbunden.
Wege zur Lösung
Problem: Unterschiedliche Arbeitskulturen erschweren die Zusammenarbeit
1 Der naive Weg: Kulturschock ignorieren
Wenn erfahrene Projektleiter zum ersten Mal ein internationales Projekt übernehmen, glauben sie zumeist an den Segen so genannter Dos and Don'ts-Listen. Sie wollen keinen schlechten Eindruck hinterlassen, sie möchten, dass die Kommunikation effizient läuft und dass die Zielerreichung im Mittelpunkt steht.
Dieser Dreiklang ist in seiner Schwerpunktsetzung bereits recht deutsch: Die Orientierung auf Korrektheit, Genauigkeit und Präzision ist zwar hilfreich, nur gehören hierzu in Projekten zumeist mindestens zwei Beteiligte. So hilft Mark Sieber sein Streben nach Perfektion in Italien wenig, da das Projekt dort vor allem danach beurteilt wird, inwiefern die besonderen italienischen Gegebenheiten einbezogen werden. Auch eine perfekte Anwendung von PMTools hilft nur begrenzt, denn die Anwendung variiert je nach kulturellem Hintergrund. Bestimmte Erwartungen werden vor Ort vielleicht gar nicht geäußert, weil man selbst zu weit unten in der Hierarchie angesiedelt ist. Vielleicht war dies z. B. einer der Gründe, warum die Franzosen zu dem mit
Herrn Sieber vereinbarten Treffen gar nicht erst erschienen. Die potenziellen übrigen Teilnehmer waren in der Hierarchie zu niedrig angesiedelt.
Auch der Begriff „effiziente Kommunikation" ist relativ, weil er national unterschiedlich interpretiert wird.